Novel-Food
Unter „Novel Food“ versteht man Lebensmittel, die entweder
a) noch nicht auf dem europäischen Markt waren („Designer Food“)
oder
b)Erzeugnisse, die unter Einsatz gentechnische veränderter Organismen (GVO) hergestellt werden.
Beispiele für a)
- Künstliche Verbindungen wie unverdauliche Fett-Ersatzstoffe, die zwar wie Fett schmecken aber kalorienfrei sind (z.B. „Olestra“)
- Schimmelpilzprodukte (z.B. „Quorn“) als vegetarischer Fleischersatz
Beispiele für b)
- Herbizidtolerante Sojabohnen
- Transgene Tomaten mit verlängerter Haltbarkeit („Flavr-Savr-Tomate“)
Für solche Lebensmittel bzw. Zutaten ist eine, von der EU verordnete, Kennzeichnung vorgesehen. Diese „Novel-Food-Verordnung“, die seit Mai 1997 in Kraft ist, sieht Kennzeichnungen bei bzw. für folgende Lebensmittel vor:
- Lebende, gentechnisch veränderte Organismen und Produkte, die diese enthalten (z.B. Bier, Joghurt, Käse, Gentech-Gemüse).
- Zutaten, die neue Molekülstrukturen aufweisen (z.B. Fettsäuren wie „Olestra“).
- Lebensmittel, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus diesen isoliert wurden (z.B. „Quorn“).
- Produkte, deren Zusammensetzung oder Struktur durch die Verarbeitung verändert wurden (z.B. bei der Hochdrucksterilisation).
Die Idee, Lebensmittel künstlich herzustellen, ist kein Produkt der heutigen Zeit. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es Vorläufer des Designer Foods.
Geschichte und Vorläufer von Novel Food und Designer Food
Margarine – Die „Kunstbutter“
Bereits 1869 ruft Frankreich einen Wettbewerb aus, dessen Ziel es ist, die teure Butter zu ersetzen. Der Butterersatz ist aber anfangs noch eine schmierige ungenießbare Masse aus Talg und Tran. Ab 1889 wird die Kunstbutter zur Basis einer eigenen Industrie in den Niederlanden und Deutschland.
Anfang des 20. Jahrhunderts wird die Fetthärtung erfunden. Damit kann Margarine aus geschmacksneutralen pflanzlichen Ölen hergestellt werden. Der Makel des „Arme-Leute-Fettes“ verschwindet und es entstehen Margarinen mit so klangvollen Phantasienamen wie „Rahma“, „Butterine“ oder „Sanella“
Ersatzkaffee
Die Idee zu Ersatzkaffee wurde in Notzeiten geboren, um mit billigen Beimischungen einen Kaffee-Ersatz herzustellen, der sich möglichst teuer verkaufen lässt.
Als der gesundheitsbewußte Pfarrer Kneipp auf dem Etikett erscheint und Malzkaffee für die Gesundheit empfeihlt, stellt der der Absatz von Kaffee-Ersatz sogar echten Kaffee in den Schatten.
Süßstoffe
Süßstoffe wurden ursprünglich als Masthilfsmittel für die Schweinemast entwickelt. Später galten sie als „Zucker für die Armen“, den es vor allem in Krieg- und Notzeiten zu kaufen gab.
Die Süßstoffe wandelten sich jedoch mit der Zeit zu einem „diätischen“ Lebensmittel für Zuckerkranke und gelten heute als „leichtes“ und kalorienarmes „Light“-Lebensmittel für Schlankheitsbewußte.
Erbswurst
Erbswurst wurde 1867 vom Koch und Konservenfabrikant Johann Heinrich Grüneberg aus Berlin erfunden und später an das preußische Militär verkauft. Erbswurst besteht aus einer Mischung aus Speck, Zwiebeln, Gewürzen, viel Salz und jeder Menge Erbsenmehl. Erbswurst wurde von den Brüdern Knorr übernommen und vermarktet und gilt heute als origineller aber primitiver Vorläufer aller industriell hergestellter (Halb-)Fertignahrung, dem sog. „Convinience Food“.
Food Design heute
Alle diese frühen Vorläufer von Food Design sind jedoch im Vergleich zu heutigen Möglichkeiten und Konzepten nur primitive Versuche.
Die Novel Food Industrie handelt heute größtenteils nach dem „Baukastenprinzip“: Isolieren, anreichern, zusammensetzen d.h. die Industrie zerlegt Lebensmittel in ihre Bestandteile, verstärkt gewünschte Eigenschaften dieser Einzelteile und setzt sie dann beliebig wieder zusammen.
Je stärker jedoch Lebensmittel im Labor nach dem Baukastenprinzip entwickelt werden, desto mehr Zusatzstoffe werden benötigt. Auch gehen Vitamine, Mineralstoffe und natürliche Aromen umso mehr verloren je höher der Verarbeitungsgrad der Lebensmittel ist.
Dies alles hält die Industrie jedoch nicht davon ab, immer mehr und immer raffiniertere Produkte zu entwickeln und damit möglicherweise immer mehr unerwünschte Nebenwirkungen zu provozieren.
Die Novel Food Verordnung der EU
Nach der Novel Food Verordnung der EU (eigentlich „Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten“), die seit Frühjahr 1997 gilt, muss jedes Unternehmen, das ein neues Lebensmittel bzw. einen neuen Zusatzstoff auf den Markt bringen möchte, dieses Vorhaben zunächst der für Lebensmittel und Lebensmittelsicherheit zuständigen Behörde seines Landes unterbreiten. Eine solche Behörde gibt es in jedem EU-Land. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden auch den Behörden der anderen Länder zwecks Annahme oder Ablehnung zugänglich gemacht.
Falls das Lebensmittel von den anderen Ländern abgelehnt wird, wird der Fall dem SCF (Scientific Committee on Food) unterbreitet, das von der Europäischen Kommission eingerichtet wurde und das höchste EU-Gremium für Lebensmittelsicherheit ist. Dieses Forum unabhängiger Experten untersucht alle mit der Gesundheit der Verbraucher und der Lebensmittelsicherheit zusammenhängenden Fragen und interessiert sich insbesondere für Fragen der Toxikologie und Hygiene bei der Lebensmittelproduktion. Diese große Anzahl unabhängiger Behörden bei der Prüfung von Lebensmitteln soll die größtmögliche Sicherheit der Verbraucher in punkto neuer Lebensmittel bieten.
Die Novel Food Verordnung ist laut der EU anzuwenden auf:
„…das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft, die in dieser bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und die unter nachstehende Gruppen von Erzeugnissen fallen:
a) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die genetisch veränderte Organismen im Sinne der Richtlinie 90/220/EWG enthalten oder aus solchen bestehen;
b) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden, solche jedoch nicht enthalten;
c) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten mit neuer oder gezielt modifizierter primärer Molekularstruktur;
d) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen bestehen oder aus diesen isoliert worden sind;
e) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, und aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten, außer Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können;
f) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, bei deren Herstellung ein nicht übliches Verfahren angewandt worden ist und bei denen dieses Verfahren eine bedeutende Veränderung ihrer Zusammensetzung oder der Struktur der Lebensmittel oder der Lebensmittelzutaten bewirkt hat, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt.“
(Quelle: Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 ueber neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten
Amtsblatt Nr. L 043 vom 14/02/1997 S. 0001 – 0006)
Produkte aus dem Novel Food- und Designer Food-Bereich
Aus der Vielzahl der Produkte, die man dem Novel Food- und dem Designer Food-Bereich zuordnen kann, seinen hier exemplarisch einige vorgestellt, damit sichtbar wird, was heute bereits möglich ist und welche Bedenken bzw. welche Gefahren solche Produkte evtl. mitbringen:
Außerdem findet sich noch eine Übersicht über die allgemeinen Bedenken, die man gegen Novel Food bzw. Designer Food haben kann.
Light Produkte – die ‚Klassiker‘ unter der Designer Foods
Light Produkte gibt es schon einige Jahre. Man kann sie daher getrost zu den Klassikern der noch jungen Designer Food-Produkten zählen.
Da der Begriff „Light“ nicht gesetzlich geschützt ist, kann der Produzent eines Light-Produktes sein Produkt im Prinzip um das ‚erleichtern‘, was er möchte. Im allgemeinen sind Light-Produkte jedoch ‚erleichtert‘ um:
- Fett
- Cholesterin
- Zucker
- Kohlenhydrate
- Alkohol
- Koffein
Natürlich ‚erleichtern‘ die meisten Light-Produkte auch den Geldbeutel des Konsumenten, denn ‚Light‘ lässt sich ‚leicht‘ verkaufen…
Im Gegensatz zum Begriff ‚Light‘ sind jedoch folgende beiden Begriffe, die ebenfalls in diesem Zusammenhang fallen, gesetzlich geschützt:
- „Kalorienreduziert“: Der durchschnittliche Brennwert des herkömmlichen Vergleichsproduktes wird um mindestens 40% unterschritten.
- „Kalorienarm“: Der Brennwert eines flüssigen Lebensmittels beträgt nicht mehr als 20 Kalorien pro 100ml, der Brennwert eines festen Lebensmittels beträgt nicht mehr als 50 Kalorien pro 100ml.
Der Extruder – Pressen, puffen, formen
Der Extruder wird dazu verwendet, bestimmten Lebensmitteln eine neue Form zu geben bzw. ihnen ihre alte Form wiederzugeben.
Beim Extruder-Verfahren wird eine „Grundmasse“ unter extremem Druck und bei Temperaturen über 200°C durch ein Rohr gepresst. Dabei verwandelt sich die enthaltene Flüssigkeit in Wasserdampf. Am Ende des Rohrs spuckt der Extruder die heiße, unter Druck stehende Masse aus. Die schlagartige Entspannung durch den Druckverlust bewirkt, dass der Wasserdampf verpufft und sich dadurch die Masse aufbläht. Das „Extrudat“ ist fertig.
Lebensmittel, die extrudiert werden:
- Knabberartikel wie bspw. Erdnußflips, Crunches, chipsähnliche Erzeugnisse, etc.
- Süßigkeiten und Frühstückscerealien wie Cornflakes, Pops, Crispies, Müsliriegel, Marshmallows, etc
- Manche Knäckebrote
- Fertigegrichte wie Kartoffelklößchen
- Rekonstruierte Fischfeinkost
Vor- und Nachteile extrudierter Lebensmittel
Vorteile:
- Beim Extrudieren wird Stärke z.T. aufgeschlossen. Sie wird dadurch leichter Verdaulich
- Beim Extrudieren werden alle Mikroorganismen abgetötet, die Lebensmittel müssen daher nicht mehr konserviert werden.
Nachteile:
- Eiweißverbindungen werden zerlegt, dadurch können neue, möglicherweise problematische Substanzen entstehen
- Viele Vitamine und ein Teil der Aromen werden zerstört, dadurch sehen die extrudierten Produkte zwar gut, frisch und knackig aus aber sie schemcken nicht mehr besonders gut
- Der Geschmacksverlust beim Extrudieren muss durch viel Salz, künstliche Aromen, Geschmacksverstärker und sog. „Coatings“ ausgeglichen werden
Quorn™ – Fleischersatz aus dem Schimmelpilz
Quorn™ ist ein Fleischersatz aus Mikroorganismen, genauer aus Schimmelpilzen. Quorn™ wird bereits seit langem in den USA, der Schweiz und in England verkauft und wird dort als Alternative zu Tofu gehandelt. Im Gegensatz zu Tofu soll Quorn™ in Faserung, Geschmack und Geruch sehr fleischähnlich sein, sowohl im rohen als auch im gebratenen Zustand. Aus Quorn™ soll man so ziemlich alles Herstellen können, was man aus Fleisch auch herstellen kann: Steaks, Würtschen, Burger, Chicken Nuggets uvm. Quorn™ kann man als Fleischersatz, Suppeneinlage, in Salaten, auf dem Brot in Aufläufen uvm. verwenden. Quorn™ ist arm an Fett und Kalorien und ist cholesterinfrei.
Die Gefahr, dass der Körper auf Mycoproteine (Proteine aus Plizen, aus denen Quorn™ besteht) allergisch mit Übelkeit und Durchfall reagiert, besteht.
Fett-Ersatzstoffe – Fett macht nicht mehr Fett?
Man unterscheidet 3 verschiedene Arten von Fett-Ersatzstoffen:
- Fettersatzstoffe auf Basis von Kohlenhydraten (Stärke oder Zellulose) wie bspw. Paselli SA 2 (Avebe), Maltrin (Grain Processing)
- Fettersatzstoffe auf Basis von Eiweiß (z.B. Hühnereiweiß, Magermilch oder Molkenproteine) wie bspw. Simplesse (Nutra Sweet)
- Synthetische Fettersatzstoffe bspw. Olestra (Procter & Gamble)
Fettersatzstoffe schmecken idR sahnig oder cremig und enthalten deutlich weniger Kalorien als Fett. Manche Fettersatzstoffe sind sogar vllständig kalorienfrei.
Verwendung von Fettersatzstoffen
- Salatdressings, Dips, Mayonnaisen, Joghurt
- Gefrorene Milchdesserts
- Brotaufstriche, Streichkäse
- Käsekuchen
- Knabbergebäck
Bedenken gegen Fettersatzstoffe
- Fettersatzstoffe auf Basis von Kohlenhydraten müssen nicht extra gekennzeichnet werden sondern erscheinen in der Zutatenliste als ‚modifizierte Stärke‘ oder ‚Stärke‘
- Synthetische Fettersatzstoffe können nicht verdaut werden und werden daher unverdaut ausgeschieden. Dies kann zu Durchfall führen. Fettlösliche Vitamine können nicht aufgenommen werden. Da sie in der Natur nicht bekannt sind, sind sie als Sondermüll einzustufen.
Gegen ‚Simplesse‘ bestehen derzeit keine gesundheitlichen Bedenken.
Übersicht über verschiedene Milchimitate
Milch-Ersatzprodukt | Imitiertes Milchprodukt | Hauptbestandteil bzw. Ausgangsprodukt |
Mischfette (z.B. Swing, Ravensburger, Streichgold, Lätta, u.a.) | Butter, Milchhalbfett | Pflanzl. Öle/Fette, Milchfett, Milcheiweiß, Zusatzstoffe |
Pflanzl. Brotbelag (z.B. Trenta, sog „filled cheese“) | Käse | Magermilch bzw. Milcheiweiß, pflanzl. Fette/Öle, Zusatzstoffe |
Kondensmilchimitate (z.B. Coffee-Fit) | Kondensmilch | Kondensierte Magermilch, pflanzl. Öle, Zusatzstoffe |
Kaffeeweißer (z.B. Coffeemate) | Kondensmilch | Pflanzl. Fette, Zucker, Milcheiweiß, Zusatzstoffe |
Sahneimitate – flüssig (z.B. Elmlea Whipping) | Sahne | Pflanzl. Fette, Zucker, Milcheiweiß, Milchfett, Zusatzstoffe |
Dessertschäume – pulverförmig (z.B. Schlagfit, Instant-Creme, Schlagschaum) | Sahne | Pflanzl. Fette, Zucker, Milcheiweiß, Zusatzstoffe |
Allgemeine Bedenken gegen Novel bzw. Designer Food
Hier sollen nur ein paar Bedenken gegen Novel Food bzw. Designer Food aufgezählt werden:
Der Konsum von Designer Food und die Erfindung von immer mehr Novel Food fördert immer selbstverständlicher den Einsatz von
- künstlichen Zusatzstoffen
- Zucker- und Fettersatzstoffen
- gesundheitlich bedenklichen Phantasieprodukten
- energieaufwendigen Technologien
Der Konsum von ‚Light-Produkten‘ bewirkt unter Umständen, dass ingesamt mehr gegessen wird, wodurch der geünschte Effekt möglicherweise ins Gegenteil gewendet wird.
Das allgemeine Allergierisiko steigt, insbesondere bei Nahrungsmittelallergien.